Am 2. Februar 2023 lud die Grüne Kreistagsfraktion zum Fachgespräch mit Norika Creutzmann MdL in die Kapelle der evangelischen Frauenhilfe in Soest ein, denn laut Istanbul-Konvention hält der Kreis Soest viel zu wenig Plätze für schutz- und hilfesuchende Frauen und Kinder bei häuslicher Gewalt vor.
„Wir stehen auf rot“, sagt Maike Schöne, Leiterin des Frauenhauses in Soest. Das bedeutet, dass ihre Zufluchtsstätte zur Zeit keine Frau aufnehmen kann, die vor Gewalt flieht. Gemeinsam mit Birgit Reiche, leitende Pfarrerin der Frauenhilfe Soest, Annette von dem Bottlenberg, Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses und Ilona Kottmann-Fischer, Mitglied im Jugendhilfeausschuss, möchte sie dies ändern. Die 24 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachgesprächs zum Thema „Perspektiven für Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt für Frauen und Kinder im Kreis Soest“ zeigen sich nach zweistündigem Austausch kämpferisch.
Viel Rückenwind für ihre Pläne erhalten die Akteurinnen von Norika Creuzmann. Die grüne Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Paderborn war über 30 Jahre im autonomen Frauenhaus Paderborn beschäftigt. Ihr gelang im vergangenen Jahr der Einzug in den Landtag, um dort – unter anderem – ihr Engagement für eine auskömmliche Finanzierung der Zufluchtsstätten fortzusetzen. Denn der Nachbarkreis Paderborn ist in der personellen wie räumlichen Ausstattung deutlich weiter. Ein guter Grund also, in den Informationsaustausch zu gehen.
Grundlage für den Ausbau bilden zwei gewichtige Faktoren. Zum einen regelt die Istanbul-Konvention eine verbindliche Quote: Pro 10 000 Einwohner muss ein Familienzimmer vorgehalten werden. Von dieser Ausstattung kann die Frauenhilfe Soest nur träumen: Grade einmal acht Plätze gibt es hier – wobei die Kinder, die fast immer gemeinsam mit ihrer Mutter vor der häuslichen Gewalt fliehen, nicht mitgezählt werden. „Laut Istanbul-Konvention müssten wir also 30 Plätze im Kreis Soest vorhalten“, verdeutlicht Ilona Kottmann-Fischer. Diese aber lassen sich nicht einfach so aus dem Boden stampfen. So kam auch die vergleichsweise gute Ausstattung in Paderborn nicht über Nacht, sondern ist das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses voller Verhandlungen und auch einer wohlwollenden Stadtverwaltung. Am Anfang stand eine Bestandsanalyse. Eine solche Aufstellung legt Norika Creuzmann ihren Mitstreiterinnen ans Herz. Auf dieser Grundlage gelte es dann, Finanzmittel von Bund, Land und Kommune für Personal und Räumlichkeiten zu beantragen.
Stichwort Räumlichkeiten: Auf dem Gelände der evangelischen Frauenhilfe in Soest ließe sich das Bildungshaus erweitern. Insgesamt 16 bis 18 Plätze könnten hier ebenso wie Einrichtungen für Beratungsangebote entstehen. Zudem steht seit sechs Monaten die Villa Kunterbunt leer. Die ehemalige Kindertageseinrichtung mit ihren rund 300 Quadratmetern lasse sich gut umfunktionieren, so Pfarrerin Reiche. Der voll ausgestattete Kindergarten sei ideal für einen Kinderbereich. Diesen Gedanken unterstreicht auch Norika Creuzmann: Insbesondere den Kindern müsse nach Gewalterfahrungen „ein positives Lebensgefühl vermittelt werden“, betont sie. Ihrer Erfahrung nach blühen die Kinder nämlich in Frauenhäusern regelrecht auf, endet doch in der neuen Umgebung ein oft lange Zeit ausgehaltener psychischer Druck.
16 bis 18 Plätze entsprechen aber immer noch nicht der erforderlichen Zahl von 30. Diese an nur einem Ort aufzubauen „ist nicht verantwortungsvoll“, so Norika Creuzmann. Sinnvoller wäre ein zweites Frauenhaus im Kreis Soest.
Als erstes gelte es aber, die Finanzierung zu klären, so Birgit Reiche. Die Frauenhilfe könne als Trägerin nur 100-Prozent-Förderungen übernehmen. Gleichzeitig wird während des Fachgesprächs deutlich, dass verschiedene Stellen unterschiedliche Summen geben. Der Kreis werde „in höhere Verantwortung gehen müssen als bisher“, kündigt Ilona Kottmann-Fischer an. Dann allerdings stelle sich die Frage nach der Kreisumlage, so die grüne Landtagsabgeordnete Dagmar Hanses. Leider gebe es keine verbindlichen Standards für Frauenhäuser. Immerhin: Die schwarz-grüne Landesregierung hat für das laufende Jahr über 33 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt – und damit jährlich neun Millionen Euro mehr als 2020 für die dauerhafte Verstärkung und den Ausbau der landesgeförderten Hilfestrukturen.
Schwer zu ertragen sei, dass die betroffenen Frauen für ihren Aufenthalt anschließend zur Kasse gebeten werden. „Dass Frauen dafür bezahlen müssen, weil sie geschlagen werden und darum Schutz suchen, ist ein No-go!“, so Norika Creuzmann.