Mitte April 2020 wird die ESF-Einzelprojektförderung des Landes, die in den letzten zwei Jahren die Arbeit der Prostituiertenberatungsstelle „Tamar“ gesichert hat, auslaufen. Eine weitere Förderung, da ist die Verbandspfarrerin der Evangelischen Frauenhilfe, Pfarrerin Birgit Reiche, eindeutig, wird es landesseitig nicht geben.
In der Sitzung des Kreisausschusses haben die Mehrheitsfraktionen einen Zuschuss durch den Kreis Soest mit einem Sperrvermerk versehen. Die Fraktion der Grünen appelliert an den Kreistag, diese Entscheidung zu überdenken und jetzt zu beschließen, dass der Kreis Soest sich an der Finanzierung dieses wichtigen Angebots beteiligen wird, unabhängig von noch ausstehenden Entscheidungen in anderen beteiligten Landkreisen.
Das seit dem 1. Juli 2017 in Kraft gesetzte Prostitutionsschutzgesetz verpflichtet die Behörden, an Fachberatungsstellen wie Tamar zu vermitteln oder solche zu Behördengesprächen hinzuziehen. Das wird die Kreisverwaltung Soest nicht mehr gewährleisten können, sollte es nicht zu dem Beschluss kommen, dass sich der Kreis an der Weiterfinanzierung der Beratungsstelle beteiligt. Denn „Tamar“ ist die einzige Fachberatungsstelle in Südwestfalen (Kreise Soest, HSK, MK, Siegen-Wittgenstein, Olpe und der Stadt Hamm) – und sie wird ihre Beratungstätigkeit einstellen müssen, wenn nicht die Kreise bei der Finanzierung einspringen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag hat schon Ende 2017 eine finanzielle Unterstützung der Arbeit von „Tamar“ beantragt. Der Kreis lehnte das seinerzeit ab; gleichzeitig ergab sich die auf zwei Jahre angelegte ESF-Förderung.
Die Evangelische Frauenhilfe hat in einem Antrag an die fünf Landkreise und die Stadt Hamm nun um eine konkrete finanzielle Hilfe ersucht. Darin betont Verbandspfarrerin Reiche auch die bereits gute und immer weiter intensivierte Zusammenarbeit mit Behörden wie Ordnungs- und Gesundheitsamt, aber auch anderen Beratungsangeboten im Kreis Soest. Sie beschreibt aber auch, dass sich die Lage der in der Prostitution tätigen Frauen teilweise verschärft hat.
So habe die Zahl der Armuts-Migrantinnen in der Prostitution insbesondere aus den neuen EU-Ländern Rumänien und Bulgarien signifikant zugenommen. Gleichzeitig habe das Prostitutionsschutzgesetz dazu geführt, dass viele Frauen den Weg in die Illegalität gewählt haben; aus Angst, ihr Umfeld könnte von der Prostitutionstätigkeit erfahren. „Diese Frauen sind auf den normalen Zugangswegen über die aufsuchende Arbeit an den Prostitutionsorten nicht mehr zu erreichen“, beschreibt Birgit Reiche.
Ob illegal oder nicht: „Tamar“ leistet wichtige psychosoziale und gesundheitliche Aufklärungsarbeit. Viele, auch angemeldete, Prostituierte verfügen nicht über das Wissen, das sie benötigen, um sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat für die beiden kommenden Haushaltsjahre beantragt, dass sich der Kreis Soest mit jeweils 33.000 Euro an der Finanzierung der Beratungsstelle „Tamar“ beteiligt und so mit sicherstellt, dass diese wichtige Arbeit über den 15. April hinaus fortbestehen kann. CDU und SPD haben im Kreisausschuss aber für einen Sperrvermerk gestimmt: Der Kreis Soest soll demnach seinen Anteil an den Kosten nur dann übernehmen, wenn alle anderen beteiligten Kreise ebenfalls zustimmen.
Wir finden: Schon mit der Kostenzusage des Kreises Siegen-Wittgenstein und des Kreises Soest wäre der Bestand einer Personalstelle gesichert. Wir können schon angesichts der Gesetzeslage die Verantwortung nicht Dritten zuschieben.